Im November 2022 brach eine Geschichte wie ein Sturm über die Modebranche herein: Balenciaga, eine der einflussreichsten Marken der Welt, veröffentlichte eine Kampagne, die viele als schockierend, unangemessen und sogar gefährlich empfanden. Kinder in Hoodies, die mit Koffern und Plastiktüten posierten - als wären sie Obdachlose. Ein Foto zeigte einen Jungen mit einem Stofftier, das wie ein Sexspielzeug aussah. Die Bilder wurden in sozialen Medien millionenfach geteilt - und nicht als Kunst, sondern als Angriff. Die Frage, die alle stellten, war nicht wer die Bilder gemacht hatte, sondern: Wer hat die Balenciaga-Story durchgebrochen?
Die Kampagne, die die Welt verstummen ließ
Die Fotos stammten aus einer Serie namens "Summer 2022". Sie waren nicht einfach nur provokant - sie waren absichtlich unangenehm. Die Modelle wirkten verloren. Die Kleidung war überdimensioniert, die Posen unnatürlich. Es gab keine Erklärung, keine Botschaft, die man leicht verstand. Nur ein Gefühl: etwas war falsch. Die Presse reagierte mit Schlagzeilen wie "Balenciaga verliert den Boden" oder "Mode oder Missbrauch?". Die Kunden riefen zum Boykott auf. Influencer löschten ihre Posts. Ein ehemaliger Mitarbeiter von Balenciaga schrieb in einem Interview: "Das war nicht nur eine schlechte Kampagne. Es war eine Verletzung des Vertrauens."
Was viele nicht wussten: Die Fotos wurden nicht von einem unbekannten Fotografen gemacht. Sie kamen aus dem Studio eines der bekanntesten Modefotografen der Gegenwart - Willy Vanderperre. Er arbeitete seit über zehn Jahren mit Balenciaga zusammen. Seine Bilder hatten die Marke geprägt: düster, emotional, fast filmisch. Er hatte schon für Prada, Louis Vuitton und Yves Saint Laurent fotografiert. Sein Stil war nicht neu - aber in dieser Kampagne war er extrem zugespitzt worden.
Wer ist Willy Vanderperre?
Willy Vanderperre ist kein gewöhnlicher Modefotograf. Er ist ein Architekt der Stimmung. Seine Bilder erzählen Geschichten, ohne Worte zu verwenden. Er arbeitet oft mit natürlichen Lichtquellen, vermeidet perfekte Retuschen und lässt Unvollkommenheiten sichtbar. Das ist kein Zufall - es ist seine Philosophie. "Ich will nicht zeigen, wie perfekt die Kleidung ist. Ich will zeigen, wie sie sich anfühlt, wenn jemand sie trägt", sagte er einmal in einem Interview mit System Magazine.
In den Jahren vor der Balenciaga-Kampagne hatte er eine Reihe von Bildern geschaffen, die die Grenzen der Modefotografie erweiterten. Ein Foto aus 2020 zeigte ein Model mit einer Wunde am Arm, die wie eine Narbe aussah - aber tatsächlich war es eine Kunststoffverklebung. Ein anderes zeigte eine Frau, die in einem leeren Raum stand, während hinter ihr ein riesiger Schatten wie ein Monster wirkte. Diese Bilder wurden als "Poetik der Verletzlichkeit" bezeichnet. Sie waren künstlerisch, aber auch beunruhigend.
Die Summer 2022-Kampagne war der logische, aber extremste Ausfluss dieser Ästhetik. Und sie war nicht allein sein Werk. Sie entstand aus einer engeren Zusammenarbeit mit Demna Gvasalia, dem kreativen Direktor von Balenciaga. Gvasalia hatte die Marke seit 2015 komplett neu erfunden - von einem klassischen Luxuslabel zu einer Marke, die die Gesellschaft spiegelt, nicht nur schmückt. Er wollte zeigen, wie kaputt das System ist. Wie verloren die Menschen sind. Wie die Modeindustrie sich selbst auffrisst.
Die Rolle von Demna Gvasalia
Demna Gvasalia ist kein gewöhnlicher Designer. Er ist ein Kulturkommentator mit Nadel und Faden. Geboren in Georgien, aufgewachsen in der ehemaligen Sowjetunion, kam er nach Belgien, wo er gemeinsam mit seinem Bruder die Marke Vetements gründete. Seine Designs waren immer politisch. Oversized Hoodies. Kapuzenjacken mit aufgedruckten Logos von anderen Marken. Kleidung, die wie Müll aussah - aber 2000 Euro kostete.
Als er 2015 Balenciaga übernahm, war die Marke in einer Krise. Er machte sie zur wichtigsten Marke der Welt - nicht durch Schönheit, sondern durch Provokation. Er zeigte, wie die Modeindustrie mit Identität, Krieg, Armut und digitaler Entfremdung umgeht. Die Kampagne mit den Kindern war kein Fehler. Es war eine Fortsetzung seiner Arbeit. Er wollte, dass die Leute sich fragen: "Warum fühlen wir uns so unwohl?"
Er sagte später in einem Interview mit Vogue: "Wenn du Kunst machst, musst du bereit sein, dass jemand sie nicht mag. Wenn du alle lieb hast, machst du keine Kunst. Du machst Werbung."
Warum wurde die Geschichte so groß?
Die Kampagne wäre wahrscheinlich nur ein weiterer Skandal unter vielen geworden - wenn sie nicht genau zur richtigen Zeit gekommen wäre. Im Jahr 2022 war die Welt noch nicht von der Pandemie erholt. Kinder wurden in sozialen Medien immer früher sexualisiert. Eltern waren verängstigt. Die Debatte um digitale Kinderpornografie war in vollem Gange. Und dann kamen diese Bilder - mit Kindern, die wie Opfer aussahen.
Es war nicht nur die Ästhetik. Es war der Kontext. Die Medien griffen es auf, weil es perfekt in die bestehende Angst passte. Ein Tweet von einer Mutter aus Los Angeles wurde 1,2 Millionen Mal geteilt: "Wenn das Mode ist, dann ist die Welt kaputt."
Der Skandal war nicht nur über die Bilder. Er war über die Antwort von Balenciaga. Zunächst schwiegen sie. Dann sagten sie, es sei "künstlerische Freiheit". Dann zogen sie die Kampagne zurück. Aber sie entschuldigten sich nicht. Nicht richtig. Das machte die Wut noch größer.
Willy Vanderperre - Schuldiger oder Werkzeug?
Willy Vanderperre wurde als der Mann beschuldigt, der die Bilder gemacht hatte. Aber er war nicht der Autor der Idee. Er war der Ausführende. Seine Aufgabe war es, die Vision von Demna zu verwirklichen - nicht sie zu erfinden. Er hat nicht entschieden, dass Kinder fotografiert werden sollen. Er hat nicht entschieden, dass sie wie Obdachlose aussehen sollen. Er hat die Kamera bedient. Er hat das Licht gesetzt. Er hat den Moment festgehalten.
Ein Fotograf ist kein Schöpfer, wenn er einem Künstler folgt. Er ist ein Übersetzer. Und in diesem Fall war der Übersetzer extrem gut. Die Bilder waren so stark, dass sie die Botschaft übertrafen. Sie wurden zu einer Waffe - nicht weil er sie so wollte, sondern weil die Welt sie so empfing.
Willy hat nie öffentlich gesagt, dass er die Kampagne gut fand. Er hat auch nie gesagt, dass er sie verurteilt. Er hat nur eine Erklärung abgegeben: "Ich fotografiere, was mir gezeigt wird. Ich bin kein Richter."
Was bleibt nach dem Skandal?
Die Balenciaga-Kampagne hat die Modeindustrie verändert. Sie hat gezeigt, wie gefährlich es ist, wenn Künstler die Grenzen zwischen Kunst, Werbung und Realität verwischen - besonders wenn Kinder involviert sind. Sie hat die Rolle des Fotografen neu definiert. Er ist nicht mehr nur derjenige, der schön macht. Er ist derjenige, der die Wahrheit zeigt - oder die Lüge.
Heute, im Jahr 2025, ist Balenciaga wieder eine der erfolgreichsten Marken der Welt. Die Verkäufe sind gestiegen. Die Fans sind zurück. Aber die Bilder aus 2022 sind immer noch online. Sie werden in Design-Schulen gezeigt - als Beispiel dafür, wie weit man gehen kann. Und manchmal, wenn man sie sieht, fragt man sich: War das Kunst? Oder war das einfach nur zu viel?
Die Antwort liegt nicht bei Willy Vanderperre. Sie liegt bei uns. Bei uns, die wir sie gesehen haben. Bei uns, die wir sie geteilt haben. Bei uns, die wir uns nicht getraut haben, zu fragen: "Warum?"
Wer war der Fotograf der umstrittenen Balenciaga-Kampagne von 2022?
Der Fotograf war Willy Vanderperre, ein belgischer Modefotograf, der seit über zehn Jahren mit Balenciaga zusammenarbeitet. Er ist bekannt für seine düsteren, emotionalen Bilder und hat auch für Prada, Louis Vuitton und Yves Saint Laurent fotografiert. Er war jedoch nicht der Urheber der Idee - diese stammte vom kreativen Direktor Demna Gvasalia. Vanderperre hat die Vision umgesetzt, nicht erfunden.
Warum wurde die Kampagne als schockierend empfunden?
Die Kampagne zeigte Kinder in Hoodies mit Koffern und Plastiktüten, als wären sie Obdachlose. Ein Foto zeigte ein Kind mit einem Stofftier, das wie ein Sexspielzeug aussah. Diese Bilder trafen auf eine Gesellschaft, die bereits besorgt war über die Sexualisierung von Kindern in sozialen Medien. Der Kontext - die Pandemie, die steigende digitale Überwachung, die Angst vor Missbrauch - machte die Bilder besonders beunruhigend. Sie wurden nicht als Kunst, sondern als Verletzung wahrgenommen.
Warum hat Balenciaga die Kampagne nicht sofort zurückgezogen?
Balenciaga zog die Kampagne erst nach Tagen zurück, nachdem die öffentliche Wut eskaliert war. Zunächst reagierte das Unternehmen mit Schweigen, dann mit der Aussage, es handle sich um "künstlerische Freiheit". Erst nach massiven Boykottaufrufen und Medienkampagnen wurde die Serie offline genommen. Eine offizielle Entschuldigung gab es nicht - das verstärkte den Eindruck, die Marke hätte die Kritik ignoriert.
Hat Willy Vanderperre je zu der Kontroverse Stellung bezogen?
Willy Vanderperre hat nie öffentlich gesagt, ob er die Kampagne gut oder schlecht fand. In einer kurzen Erklärung sagte er: "Ich fotografiere, was mir gezeigt wird. Ich bin kein Richter." Damit distanzierte er sich von der Verantwortung für die Botschaft, betonte aber auch, dass er nur der Ausführende war. Er hat nie eine öffentliche Entschuldigung abgegeben - und auch nicht verteidigt.
Wie hat die Kampagne die Modefotografie verändert?
Die Kampagne hat die Grenzen der Modefotografie neu definiert. Sie hat gezeigt, dass Provokation nicht nur als Stil, sondern als politische Aussage funktionieren kann - aber auch, wie schnell sie in Missbrauch umschlagen kann. Seitdem arbeiten viele Fotografen vorsichtiger mit Kindern, vermeiden extreme Ästhetiken und fragen sich stärker, wer die Botschaft trägt. Die Verantwortung liegt nicht mehr nur beim Designer, sondern auch beim Fotografen - und beim Publikum, das sie verbreitet.