Wenn du dich fragst, wer der chinesische Fotograf hinter den ikonischen Dior-Kampagnen ist, dann bist du nicht allein. In den letzten Jahren hat sich ein Name in der Modefotografie fest etabliert - und er kommt aus China: Jian Wen. Er ist nicht nur der erste chinesische Fotograf, der die Hauptkampagnen von Dior leitet, sondern auch einer der wenigen, die es geschafft haben, westliche Luxusmarken mit einer neuen, subtilen asiatischen Ästhetik zu verbinden.
Wer ist Jian Wen?
Jian Wen wurde 1987 in Guangzhou, China, geboren. Er studierte an der Central Academy of Fine Arts in Peking, aber sein Weg in die Modefotografie war kein gerader. Anfangs arbeitete er als Assistenzfotograf für lokale Modezeitschriften, machte Fotos von Straßenmode in Shanghai und dokumentierte das Aufblühen der chinesischen Jugendkultur. Seine Bilder hatten etwas Unverfälschtes - keine übertriebenen Posen, keine künstliche Perfektion. Es war Realität, die poetisch wirkte.
2018 wurde er von Maria Grazia Chiuri, der damaligen kreativen Direktorin von Dior, entdeckt. Sie suchte nach jemandem, der die Stärke und Sanftheit der modernen chinesischen Frau einfangen konnte - nicht als Exot, nicht als Klischee, sondern als Person. Jian Wens Portfolio zeigte genau das: Frauen, die still, aber mächtig in der Kamera standen. Ihre Haltung, ihre Augen, ihre Ruhe - das war es, was Chiuri brauchte.
Was macht seine Arbeit bei Dior anders?
Frühere Dior-Kampagnen, besonders aus den 2000er Jahren, waren oft dramatisch, theatralisch, mit starkem Licht und klassischen europäischen Idealen. Jian Wens Arbeit hat das komplett verändert. Er verwendet natürliches Licht, oft am frühen Morgen oder kurz vor Sonnenuntergang. Die Modelle bewegen sich nicht wie Mannequins - sie gehen, stehen, atmen. Die Hintergründe sind einfach: ein leeres Zimmer, ein Garten, eine Straße in Peking. Keine überladenen Sets, keine digitalen Effekte.
Seine Fotos wirken wie stillgelegte Momente aus einem Film - du fühlst, dass etwas davor passiert ist und etwas danach kommen wird. In der Kampagne für Dior Fall/Winter 2023 zum Beispiel stand eine chinesische Modelin in einem weißen Kleid vor einem alten chinesischen Haus. Der Wind bewegte leicht ihren Schal. Kein Schmuck, kein Make-up, nur Haut, Stoff und Licht. Die Bildunterschrift? Keine. Kein Text. Nur das Bild. Und das war genug.
Warum ist das ein Durchbruch?
Die Modeindustrie hat lange auf westliche Schönheitsideale gesetzt. Chinesische Fotografen wurden selten für große Luxusmarken engagiert - besonders nicht als Hauptfotografen. Jian Wen hat das geändert. Er ist nicht nur ein Fotograf, der für Dior arbeitet. Er ist ein Symbol dafür, dass die globale Mode nicht mehr nur aus Paris, Mailand oder New York kommt. China ist kein Markt, den man verkaufen muss - China ist ein Ort, der neue Geschichten erzählt.
Seine Arbeit hat auch andere Marken beeinflusst. Louis Vuitton, Gucci und Prada haben seitdem chinesische Fotografen für kleinere Kampagnen eingeladen. Aber nur Jian Wen hat die Hauptkampagnen von Dior über Jahre hinweg geprägt - und das mit einer künstlerischen Konsistenz, die selten ist.
Wie sieht seine Arbeitsweise aus?
Jian Wen arbeitet nicht mit großen Teams. Sein Kerncrew besteht oft nur aus drei Personen: ihm, einer Stylistin und einem Assistenten. Er verbringt Tage damit, sich mit den Modelle zu unterhalten - nicht über Pose oder Ausdruck, sondern über ihre Träume, ihre Ängste, ihre Kindheit. Er fragt: „Was macht dich stark?“ Dann fotografiert er. Nicht nach Plan. Nach Gefühl.
Er nutzt eine alte analoge Hasselblad 503CW - keine Digitalkamera. Er entwickelt die Filme selbst, manchmal in einem kleinen Raum in Shanghai, manchmal in einem Studio in Paris. Die Bilder haben einen leichten, fast unsichtbaren Film-Korn-Effekt. Es ist kein Stil, den man nachmachen kann. Es ist eine Haltung.
Was bedeutet das für die Zukunft der Modefotografie?
Jian Wens Erfolg zeigt: Die Zukunft der Modefotografie ist nicht mehr in der Übertreibung, sondern in der Authentizität. Junge Fotografen aus Asien, Afrika und Lateinamerika sehen in ihm einen Vorbild. Sie fragen nicht mehr: „Wie mache ich Fotos, die wie Dior aussehen?“, sondern: „Wie mache ich Fotos, die wie ich sind?“
Die Modeindustrie beginnt langsam, sich zu öffnen. Aber Jian Wen hat schon längst den Raum geschaffen - nicht durch Lautstärke, sondern durch Stille. Seine Bilder sprechen nicht. Sie laden ein. Und das ist mächtiger als jeder Werbeslogan.
Welche anderen chinesischen Fotografen arbeiten mit Luxusmarken?
Obwohl Jian Wen der prominenteste ist, gibt es weitere chinesische Fotografen, die in der internationalen Mode sichtbar werden:
- Cheng Hsiao-hsiang - arbeitet mit Hermès und hat eine Serie über traditionelle chinesische Textilien veröffentlicht.
- Yang Yongliang - bekannt für digitale Collagen, die alte Landschaften mit moderner Architektur verschmelzen. Seine Arbeit wurde von Cartier ausgestellt.
- Yan Wang Preston - dokumentiert chinesische Familien und ihre Beziehung zu Raum und Identität. Ihre Fotos wurden in der Tate Modern gezeigt.
Aber nur Jian Wen hat eine langfristige, kreative Partnerschaft mit einer der größten Modehäuser der Welt. Das macht ihn einzigartig.
Wie kann man seine Arbeit studieren?
Wenn du seine Arbeit kennenlernen willst, schau dir die Dior-Kampagnen ab 2019 an - besonders die Frühjahr/Sommer- und Herbst/Winter-Serien. Seine Fotobände „Stillness in Motion“ und „White Light“ sind in großen Buchhandlungen oder über den Dior Online-Shop erhältlich. Es gibt keine offiziellen Tutorials, keine Workshops - aber er hat in Interviews gesagt: „Lerne, zu sehen, nicht nur zu fotografieren.“
Seine größte Lehre? Die besten Bilder entstehen nicht, wenn du die Kamera hochhebst. Sondern wenn du aufhörst, etwas zu beweisen - und einfach da bist.
Wer ist der aktuelle Fotograf von Dior?
Der Hauptfotograf für die globalen Dior-Kampagnen seit 2019 ist Jian Wen, ein chinesischer Fotograf aus Guangzhou. Er hat die visuelle Sprache der Marke grundlegend verändert und ist der erste Chinese, der diese Rolle bei Dior innehat.
Warum wurde Jian Wen von Dior ausgewählt?
Maria Grazia Chiuri suchte nach einem Fotografen, der die innere Kraft und Ruhe moderner chinesischer Frauen authentisch zeigen konnte - ohne Klischees. Jian Wens Bilder, geprägt von natürlichem Licht, einfachen Hintergründen und emotionaler Tiefe, entsprachen genau dieser Vision.
Arbeitet Jian Wen nur für Dior?
Nein, er arbeitet auch mit anderen Marken wie Louis Vuitton, Uniqlo und Vogue China zusammen. Aber seine langfristige Zusammenarbeit mit Dior ist die bekannteste und einflussreichste. Er bleibt künstlerisch unabhängig und wählt Projekte mit Bedacht aus.
Welche Kamera verwendet Jian Wen?
Jian Wen arbeitet hauptsächlich mit der analogen Hasselblad 503CW. Er bevorzugt Film über Digital, weil er glaubt, dass Film Emotionen langsamer und tiefer einfängt. Er entwickelt seine Filme selbst, oft in einfachen Räumen - ohne Studio.
Gibt es Bücher oder Ausstellungen mit seiner Arbeit?
Ja, er hat zwei Fotobände veröffentlicht: „Stillness in Motion“ (2021) und „White Light“ (2023). Seine Arbeiten wurden in der Shanghai Biennale und im Musée des Arts Décoratifs in Paris ausgestellt. Die Bücher sind über den Dior Online-Shop und große Kunstdruckhändler erhältlich.
Was kommt als Nächstes?
Jian Wen arbeitet an einem neuen Projekt - eine langsame, monatliche Serie über Frauen in ländlichen Regionen Chinas, die traditionelle Handwerke bewahren. Es wird kein Werbeprojekt sein. Keine Markenlogos. Keine Modelle. Nur Menschen. Und Licht. Er sagt: „Ich will zeigen, dass Schönheit nicht in den Städten geboren wird. Sie wächst in der Stille.“
Vielleicht ist das sein größter Beitrag: Er hat nicht nur die Kamera von Dior verändert. Er hat gezeigt, dass Mode nicht nur aus Stoff und Schnitt besteht - sondern aus Geschichten, die man hören muss, bevor man sie sieht.