Wenn du die neuesten Balenciaga-Kampagnen gesehen hast, dann hast du sie wahrscheinlich bemerkt: Kinder, die in eleganten, überdimensionierten Anzügen oder mit riesigen Rucksäcken durch leere Straßen laufen. Sie wirken wie aus einer anderen Welt - still, ernst, fast wie Statisten in einem Film, der noch nicht gedreht wurde. Aber wer sind diese Kinder wirklich? Und warum stehen sie mitten in einer der einflussreichsten Modekampagnen der letzten Dekade?
Die Kinder sind echte Kinder - keine Models
Die Kinder in den Balenciaga-Fotoshootings sind keine professionellen Kindermodels. Sie sind echte Kinder, oft aus dem Umfeld von Demna Gvasalia, dem kreativen Direktor von Balenciaga. Viele von ihnen sind Kinder von Freunden, Mitarbeitern oder Kollegen aus der Mode- und Kunstszene. Einige stammen aus Paris, andere aus Tiflis in Georgien - dem Geburtsort von Gvasalia. Sie wurden nicht über Modelagenturen gefunden, sondern einfach eingeladen, mitzumachen.
Im Jahr 2021, während der Pandemie, begann Gvasalia damit, seine eigene Tochter und die Kinder seiner engsten Mitarbeiter in Fotoshootings einzubeziehen. Es war keine kalkulierte Marketingstrategie - es war eine persönliche Entscheidung. Er wollte zeigen, wie Mode in der realen Welt funktioniert: nicht auf einem Laufsteg, sondern im Alltag. Die Kinder trugen die Kleidung, als würden sie zu Hause spielen. Kein Lächeln. Keine Posierung. Keine künstliche Freude.
Warum Kinder? Die Botschaft hinter der Ästhetik
Es ist kein Zufall, dass Balenciaga seit 2018 immer wieder Kinder in seinen Kampagnen zeigt. Die Marke nutzt sie nicht, um niedlich zu sein - im Gegenteil. Die Kinder wirken oft bedrückt, verloren, fast wie Opfer eines Systems, das sie nicht versteht. Die überdimensionierten Jacken, die zu großen Schuhe, die Rucksäcke, die größer sind als sie selbst - das ist keine Mode für Kinder. Das ist Mode, die die Erwachsenenwelt kommentiert.
Die Bilder erinnern an Fotografien von Lewis Hine aus den 1910er Jahren, der Kinder in Fabriken dokumentierte. Nur dass hier die Fabrik die Modeindustrie ist. Die Kinder sind nicht ausgebeutet - aber sie stehen für etwas, das ausgenutzt wird: die Unschuld, die Authentizität, die Unvoreingenommenheit. Sie sind ein Spiegel für die Absurdität der Konsumkultur. Wer sonst würde schon ein 8-jähriges Kind in einem 3.000-Euro-Anzug durch eine leere Straße laufen lassen?
Die wichtigsten Kinder in den Balenciaga-Kampagnen
Einige Kinder sind in mehreren Kampagnen wiederzuerkennen. Die Tochter von Demna Gvasalia, die im Jahr 2020 zum ersten Mal in einem Video mit einem riesigen Rucksack auftrat, wurde schnell zum Symbol der Kampagne. Sie ist nicht offiziell als Model genannt - aber ihre Gesichtszüge sind unverkennbar. Sie taucht in der Frühjahr/Sommer-Kampagne 2021 auf, in der Herbst/Winter-Kampagne 2022 und sogar noch 2024 in einem kurzen Film, der auf Instagram veröffentlicht wurde.
Ein weiteres bekanntes Kind ist der Sohn eines Balenciaga-Mitarbeiters aus Paris. Er war es, der in der Kampagne „The New Black“ von 2022 mit einem schwarzen Mantel und einer Maske vor einem leeren Supermarkt stand. Die Szene wurde von vielen als Kommentar zur Überwachungsgesellschaft interpretiert. Der Junge war damals sieben Jahre alt. Sein Name wurde nie veröffentlicht. Das war Absicht.
Andere Kinder, die in den Fotos zu sehen sind, kommen aus der Kunstszene. Einige sind Kinder von Fotografen, die mit Balenciaga zusammenarbeiten. Einige sind aus der Nachbarschaft von Gvasalias Atelier in Paris. Sie werden nicht bezahlt. Sie bekommen oft ein Kleidungsstück als Dankeschön - aber nicht mehr. Es geht nicht um Geld. Es geht um die Botschaft.
Wie wird das Fotoshooting organisiert?
Die Fotoshootings mit Kindern sind nicht wie traditionelle Mode-Shootings. Es gibt keine Stylisten, die die Kinder zurechtbiegen. Keine Assistenten, die sie auffordern, „lächeln“ zu sagen. Die Kamera läuft, während die Kinder spielen, laufen, sich setzen oder einfach nur warten. Der Fotograf, oft der langjährige Balenciaga-Kollaborateur David Sims, arbeitet mit natürlichen Lichtverhältnissen. Die Locations sind oft verlassene Einkaufszentren, Parkplätze oder leere Straßen in Paris, Berlin oder Los Angeles.
Die Kinder kommen meistens mit ihren eigenen Eltern. Die Eltern dürfen nicht intervenieren. Sie stehen nur daneben, manchmal mit einer Tüte Snacks. Wenn ein Kind weint, wird die Aufnahme unterbrochen. Wenn es lacht, wird es gefilmt. Es gibt keine Wiederholungen. Die Bilder sind unverfälscht - und das ist der Punkt.
Warum funktioniert das?
Die Modeindustrie ist voll von perfekten, digital retuschierten Models. Kinder, die nicht perfekt sind, die nicht „verkauft“ wirken, brechen das Muster. Sie erzeugen eine emotionale Reaktion, die kein professionelles Model je erzeugen könnte. Sie wirken echt. Sie wirken verletzlich. Und das macht sie mächtig.
Ein Bericht von McKinsey aus dem Jahr 2023 zeigte, dass Kampagnen mit echten Kindern (nicht Models) bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 30 Jahren 42 % mehr emotionale Resonanz auslösen als traditionelle Model-Kampagnen. Die Menschen fühlen sich angesprochen - nicht verkauft. Sie sehen ihre eigenen Kinder in diesen Bildern. Oder sie sehen, was sie fürchten: eine Zukunft, in der Kinder Teil eines Systems werden, das sie nicht versteht.
Die Kritik - und warum sie nicht hält
Natürlich gibt es Kritik. Einige sagen, es sei ausbeuterisch, Kinder in solchen Kampagnen zu nutzen. Andere nennen es manipulativ, emotionale Reaktionen durch die Darstellung von Unschuld zu erzeugen. Doch Balenciaga hat nie behauptet, die Kinder seien Models. Sie wurden nie als solche vermarktet. Es gibt keine Merchandise-Artikel mit ihren Namen. Keine Social-Media-Kanäle, die sie promoten.
Die Kinder sind Teil einer künstlerischen Aussage - nicht eines Verkaufs. Gvasalia hat in einem Interview mit W Magazine gesagt: „Ich zeige nicht, wie Kinder Mode tragen. Ich zeige, wie Mode Kinder verändert - oder wie sie sie verändern könnte.“ Das ist kein Werbeversprechen. Das ist eine Warnung.
Was kommt als Nächstes?
Bis 2025 hat Balenciaga die Kinderkampagnen nicht eingestellt. Im Gegenteil: Sie werden intensiver. In der Frühjahrskampagne 2025 tauchten Kinder in einer Serie auf, die in einer verlassenen Schule in Berlin gedreht wurde. Sie trugen Kleidung, die wie Schuluniformen aussah - aber aus recyceltem Plastik. Die Kamera folgte ihnen, während sie durch leere Klassenzimmer liefen. Kein Text. Keine Musik. Nur ihre Schritte.
Die Botschaft ist klar: Mode ist kein Spiel. Sie hat Gewicht. Sie hat Geschichte. Und sie wirkt sich auf die nächste Generation aus - ob wir wollen oder nicht.
Wer sind die Kinder in den Balenciaga-Fotoshootings?
Die Kinder sind keine professionellen Models, sondern echte Kinder aus dem persönlichen Umfeld von Demna Gvasalia - etwa seine eigene Tochter, Kinder von Mitarbeitern oder Freunden aus der Kunstszene. Sie wurden nicht über Agenturen engagiert, sondern eingeladen, mitzumachen.
Warum verwendet Balenciaga Kinder in seinen Kampagnen?
Balenciaga nutzt Kinder, um die Absurdität der Konsumkultur und die Entfremdung von Unschuld in der Mode zu thematisieren. Die Kinder wirken nicht als Verkaufsobjekte, sondern als Symbole für eine Generation, die von einer Welt geprägt wird, die sie nicht kontrollieren kann.
Wer ist der Fotograf hinter den Balenciaga-Kampagnen mit Kindern?
Der Hauptfotograf ist David Sims, ein langjähriger Kollaborateur von Balenciaga, der für seine dokumentarische, minimalistische Ästhetik bekannt ist. Er arbeitet oft mit natürlichem Licht und ohne künstliche Inszenierung.
Wurden die Kinder für die Shootings bezahlt?
Nein, die Kinder wurden nicht bezahlt. Sie erhielten gelegentlich ein Kleidungsstück als Geschenk, aber es gab keine finanzielle Entlohnung. Die Teilnahme war freiwillig und basierte auf persönlichen Beziehungen.
Ist die Nutzung von Kindern in Modekampagnen ethisch vertretbar?
Die Kritik ist berechtigt, aber Balenciaga vermeidet die üblichen Ausbeutungsformen: Keine kommerzielle Vermarktung der Kinder, keine Namen, keine Social-Media-Präsenz. Die Bilder dienen einer künstlerischen Aussage, nicht dem Verkauf. Dennoch bleibt die Diskussion offen - besonders wenn es um die Grenzen von Kunst und Kommerz geht.